«Form Follows Function»

Mit seinem zehnköpfigen Team realisiert Hans Meli seit 2003 Internet- und Software-Projekte für regional, national und international tätige Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen. Der CEO der St.Galler Next AG weiss, wie erfolgreiche Webauftritte aussehen müssen.
Hans Meli, dass ich als Firma einen Webauftritt brauche, ist keine Frage mehr. Aber wie sieht ein professioneller Webauftritt heute aus, gibt es hier «goldene Regeln»?
Fragen Sie sich zuerst, an wen Sie sich wenden wollen: Wer ist Ihre Zielgruppe? Das steht am Anfang aller Überlegungen: Bei allen Elementen der Webseite muss der Fokus auf den Bedürfnissen Ihrer Zielgruppe liegen, dann klappts! Dazu gehören sicher die Gestaltung, aber auch die Struktur und die Anwendungen und Applikationen der Webseite. Unser Credo ist hier klar: Form Follows Function! Benutzbarkeit kommt zuerst, dann darf und soll es optisch etwas hermachen. Als Zweites kommt die Frage nach dem Mehrwert: Eine Website ist nur dann erfolgreich, wenn sie konkreten Mehrwert stiftet. Also: Schaffen Sie Mehrwert! Dieser wird dann generiert, wenn man die Erwartungen der Zielgruppe an die eigene Website erfüllt. Um diese zu bestimmen muss man aber wissen, wer überhaupt die Besucher sind – und hier schliesst sich der Kreis.
Und welche Sicherheitsanforderungen müssen Webseiten heutzutage erfüllen?
Ein guter (Schweizer) Host deckt hier den grössten Teil ab. Dann muss die benutzte Software auf neuem oder besser neuestem Release gehalten werden – regelmässig. Wenn die Pflege gewährleistet ist, können die IT-Schutzziele «Vertraulichkeit », «Verfügbarkeit» und «Integrität» auch bei einer Webseite erreicht werden.
Unterliegt das Design von Webseiten eigentlich auch Trends?
Oh ja, Webdesign-Trends unterliegen ständiger Veränderung. Design-Trends sind auch Experimente und Ausreizung der aktuellen technischen Möglichkeiten. Diese scheinen heute endlos. Gleichzeitig sind einige Stile sehr langlebig und beliebt, wie beispielsweise der allseits präsente Minimalismus oder farbenfrohe Flat-Illustrationen, die wir nun schon seit geraumer Zeit sehen. Die zur Verfügung stehende Bandbreite spielt dabei eine ganz entscheidende Rolle – heute ist der Datendurchsatz und damit die Geschwindigkeit von Seitenaufbau kaum mehr ein Thema.
Können Sie einige Trends für das Webdesign im Jahr 2020 benennen?
Gerne: Bewegtbild in allen Kombinationen – Animationen, 3D-Elemente, Filme. Dann der «Dark Mode» – alles dunkel gehalten – sowie seine beiden Gegenstücke: strahlende, leuchtende Farben mit Gradient oder ganz viel Weissraum und Farbfläche. Und: Fotografien und Grafiken werden heute gerne kombiniert.
Und wo sehen Sie die Bedeutung eines Onlineauftritts heute im Marketingmix?
Aus unserer Sicht erleben wir gerade den Übergang zu «Web-First-Prinzip» oder wie wir sagen: «Online First». Zuerst die Verfügbarkeit der Information im Internet, dann die Publikation auf Papier. Corona hat diesen Trend nochmals befeuert – das digitale Medium kommt zuerst. Die Webseite ist somit ein strategisches und damit entscheidendes Instrument der Marketing-Strategie und der Kern und die Basis jeder Online-Strategie. Dazu kommen zusätzlich die sozialen Medien, meist ausgehend von den Inhalten der Webseite. Als Beispiel diene der gute alte Newsletter – neu aufgelegt als «digitales Marketing».
Bleiben wir kurz bei Social Media: Welche Plattformen sind B-to-B wichtig, welche kann man vernachlässigen?
Bei B-to-B sollte man zwischen Dienstleistung, Handel und Industrie unterscheiden. Während Dienstleistung und Handel praktisch auf allen Social-Media-Plattformen präsent sind, steht das bei der Industrie eher im Hintergrund. Jeder ist ja als Mensch in verschiedenen Rollen – mal ist er Konsument (also B-to-C), mal ist er in seiner Funktion z. B. als Einkäufer ein B-to-B Kunde. Es bleibt aber immer die Kommunikation zu und mit Menschen. So ist diese Unterscheidung gar nicht so entscheidend; es kommt eher auf das konkrete Produkt oder Angebot an.
Einer Ihrer Kunden ist Martel aus St.Gallen, die als erste Weinhandlung Europas online ging. Eignen sich Onlineshops nur für Konsumgüter oder auch für Dienstleistungen?
Unbestritten für Konsumgüter – ausser bei Bekleidung wegen der aufwendigen Logistik und dem Retourenmanagement. Der Erfolg von Martel im Internet ist absolut beeindruckend: Hier verstärkt sich die Online-Welt mit der realen, mit den wunderschönen Standorten in St.Gallen und Zürich. Auch bei Martel ist das Credo «Online First!» zu spüren – klar auch Corona-bedingt. Als Vereinfachung der Kommunikation – etwa um Termine abzumachen – sind Teilfunktionen von Shops durchaus auch für Dienstleistungen nützlich. Eignet sich das Internet generell auch für Dienstleistungen? Hier liegt die Antwort auf der Hand: Banken, Versicherungen etc. etc. sind mehr und mehr «elektronisch» vorhanden und immer weniger in Form von Gebäuden und Schaltern. Dies wird sich in Zukunft weiter akzentuieren.
Eine Knacknuss bei Onlineshops ist die Inkompatibilität von ERP-Systemen und Marketingmaterialien, sodass sich Letztere nur schwer für Onlineshops nutzen lassen. Was empfehlen Sie hier?
Den Einsatz eines Systems zwischen dem ERP und dem Shop zur Anreicherung der vermissten Marketinginformationen – ein sogenanntes PIM (Produkt Information Management). Diese neue Erweiterung ist genau das bisher vermisste Puzzleteil und hilft sehr bei der Automatisierung und Pflege der Stammdaten. Seit zwei Jahren setzen wir dies für unsere Shopkunden ein und verzeichnen damit eine wesentliche Steigerung der Datenqualität. Die Pflege wird einfacher und damit viel eher erledigt.
Einen professionellen Webauftritt zu haben, ist das eine, das andere ist, ihn aktuell zu halten. Was empfehlen Sie hier in Bezug auf Zeitaufwand und Technologie?
Es gibt zwei Wege: Intern – durch Schulung der Mitarbeiter oder extern durch entsprechende Serviceverträge. In der Regel machen unsere Kunden einen Mix aus beidem, je nach Bedarf. Die meisten Kunden buchen bei uns einen Tag im Monat als Basisservice. Je nachdem kann es auch ein Vielfaches davon sein.
Und welche Bedeutung messen Sie SEA und SEO sowie der Pflege von Social Media zu?
Hier ist zwischen SEA/SEO und Social Media zu differenzieren. Insbesondere SEO – die Struktur und Pflege der Suchbegriffe auf der Website selber – ist bei einer guten Internetfirma bei Abgabe des Werks die Visitenkarte, sozusagen das Handwerk. Die SEA-Arbeiten – Kampagnen, um zielgenau bei bestimmten Begriffen vom gewünschten Publikum gefunden zu werden – sind wiederum zu einem eigenen Spezialgebiet geworden mit entsprechenden Akteuren am Markt. Die Pflege von Social-Media-Kanälen dagegen ist reine und klassische Kommunikation – das Gebiet der Kommunikationsagenturen.
Jetzt reicht ein «statischer» Webauftritt ja in vielen Fällen nicht; wem empfehlen Sie zusätzlich mobile Anwendungen, also Apps – oder reicht eine responsive Seite?
Ein Webauftritt ist nicht per Definition statisch und eine App nicht per se dynamisch. Vielmehr sind das zwei Arten von Technologien im Internet – und jede hat ihre Berechtigung: Während der Webauftritt sehr gut zum Transport von Information und Image dienen kann, ist die App eher für die Abwicklung von spezifischen Anwendungen geeignet. Die beiden Technologien sind ausserdem nicht ohne das zugehörige Device – das Gerät – denk- und nutzbar. Apps finden auf Smartphones statt, Webseiten eher und mit Vorteil auf grösseren Bildschirmen. Hier ist die Grenze natürlich fliessend. Die optimale Anwendung kann man sich so vorstellen: Auf dem Flugplatz wird mit dem Smartphone ein Barcode gescannt und ein Foto dazu gemacht. Diese Daten werden an einen Webauftritt gesendet, der zur Darstellung, Aggregation und Abrechnung der Daten dient. Beide Welten optimal eingesetzt.
Zum Schluss: Gibt es eine Faustregel, nach der ein «fairer» Preis für eine Webseite kalkuliert werden kann?
Sagen Sie mir den fairen Preis für ein Haus … Eine professionelle Webseite hat ihren Preis, ganz klar. Es arbeiten Spezialisten und Profis aus den verschiedenen Wissensgebieten Hand in Hand – und das über einige Wochen oder Monate. So ein Werk sollte nicht nur und in erster Linie durch die Kostenbrille betrachtet werden: Eine Webseite ist auf einige Jahre hinaus angelegt, ist immer mehr der erste Berührungspunkt mit der Firma und transportiert somit den ersten Eindruck. Das darf auch etwas wert sein.
Text: Stephan Ziegler