Wie Holacracy dem Virus trotzt

Wie Holacracy dem Virus trotzt
Liip AG / Jenny  Zehnder
Jenny Zehnder

Liip AG

www.liip.ch

Nur ein agiles System hält heute den Veränderungen des Marktes stand – so die Befürworter des Selbstorganisation. Der Corona Virus verändert eben diesem Markt gerade tiefgreifend. Unser Zwischenfazit: Die Befürworter haben recht.

Ist Holacracy krisenresistent?

Seit 2016 arbeiten wir als Digitalagentur nach Holacracy – eine der bekanntesten Formen der Selbstorganisation. Immer wieder wurden wir in den vergangenen vier Jahren gefragt: Funktioniert diese Organisationsform auch in Krisen? Nach drei Wochen im Ausnahmezustand sagen wir JA, Selbstorganisation funktioniert auch in der Krise. Denn eine Krise ist nichts anderes als eine komplett neue Marktsituation – auf die sich das Unternehmen ausrichten muss. Und genau dafür wurde das System geschaffen. Das Krisenmanagement organisiert sich dabei radikal anders als bei klassischen Organisationen und ihrem Krisenstab.

Selbstorganisation zu COVID-19 Zeiten

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Ende Februar änderte der erste bestätigte Corona Fall der Schweiz auch bei uns einiges. Umgehend kreierten wir eine Rolle, die sich um die Handhabung der sich anbahnenden Krise kümmert. Entstanden ist diese Rolle im "People Circle". Dieser Kreis hat den Zweck, eine gesunde Beziehungen zwischen Liip und Liipers sicherzustellen. Somit ist die Rolle dort angesiedelt wo es um das Wohl der Mitarbeitenden geht. Die Rolle heisst "COVID-19 Specialist". Die Aufgaben des "COVID-19 Specialist" werden stets den Bedürfnissen der Organisation angepasst und erweitert – so kann sich die Rolle genau die Autorität nehmen, die sie braucht um ihr Ziel – bei uns "Purpose" genannt – zu erfüllen. Aus ursprünglich zwei Expert∗innen aus HR und Marketing und Kommunikation sind nach und nach Personen aus verschiedenen Geschäftsbereichen hinzugekommen. Aktuell haben neun Personen die Rolle inne. Jede Person mit einem anderen Fokus. Alle mit einem gemeinsamen Ziel: der Erhaltung der vitalen Prozesse des Unternehmens. Um diese Rolle zu unterstützen – bei der logistischen Verteilung von Hände Desinfektionsmittel zum Beispiel - wurden an den fünf verschiedenen Standorten lokale Rollen geschaffen.

Krisenstab the Liipway

Von einem Krisenstab ist die Rolle des "COVID-19 Specialist" nicht weit entfernt. Allerdings sind bei uns nicht die hierarchisch wichtigen Personen im Krisenstab, sondern diejenigen, die die nötige Expertise für diese Herausforderung besitzen. Wie immer in der Selbstorganisation: Nicht die Position wählt dabei die Personen aus, sondern gute Argumente. Dabei ist die Selbstorganisation so ausgelegt, dass dies alles sehr schnell funktioniert. Innert eines Monats wurden verschiedene Szenarien angedacht und umgesetzt. Das Tagesgeschäft musste sich der neuen Marktsituation anpassen, die rechtlichen Grundlagen änderten sich fast täglich. In klassischen Krisenstäben sind dazu oft bereits Pläne und Szenarien vorhanden. Bei uns gab es kein vorgefertigtes Krisen-Set-up. Sämtliche Aktivitäten und Szenarien sind für alle Mitarbeitenden transparent.
Weil alle abgeholt sind, haben alle Mitarbeitenden die Möglichkeit auch in anderen Rollen mitzudenken. So werden viele kreative Ideen erzeugt und verfolgt - das ganze Unternehmen hat damit "skin in the game".

Informierte Mitarbeitende zahlen sich aus

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Ein wichtiger Bestandteil des Krisenmanagements ist die Kommunikation. Die Ängste und das Informationsbedürfnis aller sind in den letzten Wochen klar gestiegen. Damit sich die Mitarbeitenden weiterhin voll auf ihre Arbeit konzentrieren können, müssen sie umfassend und kompetent informiert sein. Denn beruhigte Mitarbeitende sind starke und effiziente Mitarbeitende. Die Kommunikation zur Krise fand über die Messenger-App Slack statt. Seit Februar wurden im #announcement Slack-Kanal 14 Push-Notifications geteilt. #announcement ist der Kanal, den alle Mitarbeitende abonniert haben und aus dem niemand austreten darf. Zusätzlich entstanden nach und nach weitere Kanäle zur Corona-Krise, in denen diskutiert und gefragt wird. So wurde #ask-corona für Fragen rund um die Massnahmen erstellt. In #corona-diskussions wird öffentlich über die Lage diskutiert. Unter #corona-childcare wurden die vielen Fragen unserer Familienväter und -mütter besprochen. Wie in anderen Organisationen wurde bei Liip eine interne Wiki-Seite mit mittlerweile 12 Unterseiten angelegt. Darin wurden die Regelungen und Massnahmen des Bundesrates kommuniziert, aber auch unternehmensspezifische Updates fanden Platz. Die Datenanalyse der Channels zeigt uns direkt, ob die Kommunikation die Mitarbeitenden auch erreicht.

Kommunikation stärkt die Kultur

Während der ganzen Krisenkommunikation wird darauf geachtet, direkt nach der Pressekonferenz des Bundesrates zu kommunizieren. So können die Mitarbeitenden darauf vertrauen, nichts zu verpassen – und gleichzeitig ihrer Arbeit nachzugehen. Zu Beginn der Krise informierten die Updates primär über die hygienischen Massnahmen und transportierten die Kampagne "so schützen wir uns". In einer zweiten Phase folgten Informationen zu freiwilligem Home-Office welche kurze Zeit später in den Aufruf, zu Hause zu arbeiten wechselten. Diese proaktive Informationskultur hatte den Vorteil, dass die Mitarbeitenden früher als in anderen Organisationen zu Hause blieben. Sie haben schon früh gelernt, dass sie der Krisenkommunikation transparent, authentisch und schnell an alle Informationen gelangen. Diese Art der Kommunikation baut Vertrauen und Loyalität auf. Die Mitarbeitenden spüren das Engagement der Kommunikationsverantwortlichen und lernen, dass die Task-Force nicht alle Antworten kennt aber nichts zurückbehält. Das gibt das Vertrauen, dass jede Lösung auch weiterentwickelt werden kann. Folglich konzentrieren sich die Personen in der Task-Force auf das Handling der Krise und alle anderen um ihren alltäglichen Job. Das erhöht die Produktivität und das Vertrauen grundsätzlich – oder lässt beides nicht unnötig schwinden.

Digitalisierung jetzt erst recht

Als Digitalagentur mit fünf Standorten in der Schweiz sind Videokonferenzen und Slack als Chat Tool unser Standard Setup. Trotzdem lebt der Büroalltag von physischem Austausch - an einer Brainstorming-Wall oder in einer klassischen Kaffeepause. All dies wurde während der Corona-Krise kurzerhand digitalisiert. Die Mitarbeitenden treffen sich zu virtuellen Kaffeepausen und Apéros, sogar Brainstormings mit bis zu 20 Leuten finden neu digital statt. Das hat sogar einen Vorteil: verstärkte standortübergreifende Interaktionen. Plötzlich sind alle dabei – nicht nur das Büro Zürich, sondern auch St. Gallen oder Bern und es wird gemeinsam geplaudert. Selbstverständlich gibt es bei uns auch einen #thankyou Kanal in unserem Slack-Messenger. Nie zuvor wurde dieser Kanal reger benutzt. Dies zeigt, dass uns diese Krise noch näher zusammen bringt. Ähnliches hören wir von unseren Kund∗innen. Sie danken uns für unsere proaktive Kommunikation und das grosse Engagement.

Wir wissen nicht, was da noch alles auf uns zukommt. Wir wissen aber, dass wir zusammen stark sind – und dass Holacracy uns die Tools liefert, um für die neue Welt parat zu sein.

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