Vertrauen als Basis für Digitalisierungsstrategien

Unter der Leitung von Prof. Dr. Antoinette Weibel haben HSG-Forscher ein Framework mit Managementstrategien entwickelt, die es Unternehmen ermöglichen, die Potenziale der fortschreitenden Datafizierung zu nutzen, ohne dabei das Vertrauen ihrer Mitarbeiter zu schädigen.
Wer die Digitalisierung erfolgreich managen will, muss die natürliche Verletzlichkeit der Mitarbeiter berücksichtigen. Diese Verletzlichkeit bildet den Kern des Vertrauens, das wiederum die Grundlage für erfolgreiche Beziehungen darstellt. Daher untersuchten Forscher unter der Leitung von Prof. Dr. Antoinette Weibel vom Forschungsinstitut für Arbeit und Arbeitswelten an der Universität St.Gallen den Einfluss der Digitalisierung und Datafizierung am Arbeitsplatz auf die empfundene Verletzlichkeit der Mitarbeiter. Ihr Ziel war es, Strategien zu entwickeln, um das Vertrauen der Mitarbeiter angesichts des technologischen Wandels zu erhalten und zu stärken.
Die Ergebnisse zeigen, dass Mitarbeiter in hochgradig technologisierten Arbeitswelten auf zwei Arten Verletzlichkeit empfinden: Zum einen wird ihre Prognosefähigkeit durch fortschrittliche und selbstlernende Technologien verringert, was die erfolgreiche Anpassung an den neuen Kontext erschwert. Zum anderen werden durch neue Technologien auch existenzielle Verletzlichkeiten wie Verlustängste, Identitätsprobleme und Einsamkeit hervorgerufen. Angesichts dieser Verletzlichkeiten sei ein Bewusstseinswandel im Unternehmen erforderlich, der eine aktive Unterstützung und Übernahme von Verantwortung seitens des Unternehmens beinhalte, so die Forscher.
Die Erkenntnisse wurden kürzlich im renommierten Journal of Management Studies veröffentlicht. Der entsprechende Aufsatz bietet Führungskräften zudem ein Framework zur aktiven Gestaltung des technologischen Wandels.
Praxistipps für Führungskräfte
Grob zusammengefasst lassen sich die im Aufsatz beschriebenen Managementstrategien in symbolische und substanzielle Strategien unterscheiden. Zunächst muss ein neues und glaubwürdiges Narrativ die neue Realität beschreiben, um die Grundlage für Vertrauen zu schaffen («talk the talk») und anschliessend werden durch Investitionen und strukturelle Reformen die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen («walk the talk»). Nachfolgend eine Auswahl der von den Forschern vorgeschlagenen Strategien:
Symbolische Strategien:
- Schulungen zur digitalen Kompetenz durchführen, um Mitarbeiter in den Bereichen Informations- und Datenkompetenz, Kommunikation und Zusammenarbeit, Erstellung digitaler Inhalte und Problemlösung zu stärken.
- Investition in Technologien mit selbsterklärendem und angemessenem Design, die eine intuitive Interpretation, Feedback-Optionen und eine vertrauenswürdige Prüfung/Zertifizierung durch Dritte gewährleisten.
- Technologien einsetzen, die eine Beteiligung der Mitarbeiter ermöglichen, lernorientierte Rückmeldungen bieten und den Mitarbeitern eine gewisse Kontrolle ermöglichen.
Substanzielle Strategien:
- Führungsrollen definieren, die die Kluft zwischen Technologie und Mitarbeitern überbrücken, indem Mitgefühl, emotionale Kompetenz und Verantwortung betont werden.
- Formelle Mechanismen zur gemeinsamen Gestaltung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer und Einbezug von Superuser und frühe Anwender in den gesamten Implementierungsprozess ein.
- Einbezug von Interessengruppen in Entscheidungsprozesse, z. B. mittels Technologiefolgenabschätzungen und themenbezogene Beiräte.
Führungskräfte sind also gefordert, aktiv Vertrauen zu fördern und ein Umfeld zu schaffen, in dem Fehler als Lernchance begriffen werden und die Mitarbeiter sich befähigt und wertgeschätzt fühlen. Dabei dient das Framework von Antoinette Weibel et al. als Orientierungsrahmen.