Private Blockchain für mehr Solarstrom

Ein Jahr lang handelten in der St.Galler Gemeinde Walenstadt 37 Haushalte Solarstrom in einem lokalen Strommarkt basierend auf einer Blockchain. Die Beteiligten ziehen aus dem weltweiten Pionierprojekt eine positive Bilanz. Eigenverbrauch und Eigenversorgung stiegen, wie erwartet. Die Teilnehmenden nahmen aktiv am Strommarkt teil, zeigten sich aber kaum bereit, mehr für den lokalen Strom zu berappen, schreiben die Verantwortlichen des Projekts «Quartierstrom» in einer Mitteilung.
Der erste lokale Strommarkt der Schweiz hat die Feldphase im Januar 2020 erfolgreich abgeschlossen. Während eines Jahres handelten 37 Haushalte in Walenstadt lokal produzierten Solarstrom in der Nachbarschaft. Kauf und Verkauf des Solarstroms wurden direkt unter den Teilnehmenden abgewickelt. Der lokale Energieversorger, das Wasser-und Elektrizitätswerk Walenstadt (WEW) stellte sein Verteilnetz zur Verfügung. Zudem kaufte es überschüssigen Solarstrom und versorgte die Gemeinschaft mit «normalem» Strom, wenn das Solarstromangebot zu gering war. Das innovative Projekt, das vom Bundesamt für Energie (BFE) als Leuchtturmprojekt unterstützt wird, hatte nicht nur zum Ziel, die technische Machbarkeit im Feldzu prüfen, sondern auch das Verhalten der Nutzenden zu erforschen.
Mehr für den Strom bezahlen will kaum jemand
Ein Novum war, dass die Haushalte den minimalen Verkaufspreis ihres Solarstroms und den maximalen Einkaufspreis für Solarstrom vom Nachbarn auf einem Portal selbst festlegen konnten. Die Teilnehmenden nutzten diese Möglichkeit vor allem zu Beginn häufig. Sie setzten aber ihr Preislimit für den Kauf des lokalen Solarstroms kaum höher als für den normalen Netzstrom. Weniger als 10 % der Angebote lagen über diesem Tarif. Dies obwohl viele in den vorgängigen Befragungen ihre Bereitschaft erklärt hatten, mehr für lokalen Solarstrom zu bezahlen. Haushalte mit einer Solaranlage ihrerseits wollten ebenfalls profitieren und setzten ihren minimalen Verkaufspreis über dem Einspeisetarif des lokalen Elektrizitätswerks an.
Automatische Preissetzung bevorzugt
Um verschiedene Marktmodelle zu vergleichen, setzten die Forschenden die Funktion zur individuellen Preisfestlegung während eines Monats aus und ersetzten sie durch eine automatische Preisbildung. In Befragungen äusserten etwas mehr als die Hälfte der Haushalte, dass sie ein solches Modell bevorzugen. «Überraschend war, dass Teilnehmende, die das Portal häufig nutzten, eher zu automatischer Preisbildung tendierten und umgekehrt», erklärt Verena Tiefenbeck, Projektleiterin vom «Bits to Energy Lab» der ETH Zürich. «Aufgrund unserer Erfahrungen beurteilen wir eine individuelle Preisfestlegung für einen lokalen Strommarkt in Zukunft nicht als entscheidend.»
Wirkungsvolle Sensibilisierung
Wichtig scheint hingegen, dass die Teilnehmenden Produktion und Verbrauch sowie ihre Ein- und Verkäufe in Echtzeit beobachten können. Diese Funktion war bei den Nutzerinnen und Nutzer sehr geschätzt und trug zur Sensibilisierung bei. Viele Teilnehmende äusserten, dass sie jetzt elektrische Geräte vermehrt dann einzusetzen, wenn draussen die Sonne scheint. Den heute noch geltenden Hoch- und Niedertarif beurteilten sie in Bezug auf erneuerbare Energien als überholt.
Tiefer Energieverbrauch
Während die Blockchain-Software sehr zuverlässig funktionierte, hatte das Projektteam vereinzelt mit Ausfällen bei der Hardware zu kämpfen. Der Stromverbrauch des Systems hielt sich in Grenzen. Die kleinen Computer, die als Smart Meter und Blockchain-Knoten dienten, verbrauchten während der gesamten Projektdauer rund 3300 Kilowattstunden Energie. Gemessen am Volumen des im lokalen Markt gehandelten Stroms lag deren Verbrauch bei rund vier Prozent.
(Bild: quartier-strom.ch)