Mit dem Chatbot Barrieren überwinden
Verwaltungsorganisationen sind komplex strukturiert, Prozesse oft übergreifend und für Bürger schwer verständlich. Die Sache vereinfachen können Chatbots wie jener der St.Galler Abraxas Informatik AG. Geri Moll, Leiter Transformation und Market Solutions bei Abraxas, über die Digitalisierung der Schweiz, Verwaltungsabläufe und die Möglichkeiten von Chatbots.
Geri Moll, Abraxas hat Anfang 2021 das Zürcher Chatbot-Start-up Byerley übernommen, um die digitale Transformation der Verwaltungen voranzubringen. Wie steht es denn aktuell um diese Transformation in den Amtsstuben?
Die Digitalisierung der Schweiz ist noch im internationalen Mittelfeld. Doch spüren wir ein sehr grosses Interesse auch seitens Behörden, insbesondere von unseren Partner Kantonen und Gemeinden, hier grosse Schritte zu unternehmen. Es sind nicht nur viele Projekte am Laufen, sondern auch viele Ideen und Wünsche offen. Heute muss keine Überzeugungsarbeit mehr geleistet werden, sondern können Ideen umgesetzt werden.
Und Sie schulen neu auch Mitarbeiter von Verwaltungen.
Richtig. Im März hatte die Abraxas Academy Premiere. Unser Weiterbildungsangebot für Verwaltungsmitarbeitende vermittelt ganz praxisnah, was digitale Transformation bedeutet. Der erste Termin zu Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung ist auf grosses Interesse bei Gemeinden gestossen und war mit über 50 Interessierten sehr gut besucht.
Verwaltungen erreicht man heute per Telefon, Mail oder Brief. Weshalb braucht es noch Chatbots?
Aus Sicht der Einwohnerinnen und Einwohner vereinfacht es dieser spezielle Chatbot, Behörden und Ämteranliegen zu erledigen. Er bietet Aussenstehenden unkompliziert Zugang zu komplexen Verwaltungsprozessen. Die Nutzerinnen und Nutzer können den Chatbot einfach fragen, sie müssen die Zuständigkeiten innerhalb der Behörde nicht kennen. Im Unterschied zum Telefon gibt es keine Warteschlaufe – und im Unterschied zu Mail oder Brief erfolgt die Antwort sofort. Der Bot ist 24/7 erreichbar. Und die Fähigkeiten der Bots werden durch Funktionalitäten und hinterlegte künstliche Intelligenz stetig ausgebaut und besser einsetzbar.
«Die Digitalisierung der Schweiz ist noch im internationalen Mittelfeld.»
Was bedeutet das konkret für die Verwaltungen?
Aus Sicht der Behörde führt der Bot zu einer Entlastung der Angestellten. Insbesondere bei Diensten mit einem hohen Koordinationsaufwand oder solchen mit einer grossen Transaktionstiefe kann der Bot als digitaler Verwaltungsmitarbeitender seine Stärken ausspielen. Die freiwerdenden Ressourcen können Mitarbeitende für Dossier spezifische, komplexere Anfragen verwenden.
Was kann der Abraxas-Chatbot aktuell alles?
Er kann Informationen bereitstellen, Prozesse ausführen und ist direkt mit den Fachapplikationen von Abraxas verbunden. Ein Beispiel: «Wollen Sie einen Betreibungsregisterauszug bestellen?» Ist die Antwort «ja», löst er selbstständig den Bestell und Bezahlprozess aus. Bei der Anfrage «Wie gross ist meine Steuerschuld?» verbindet sich der Bot mit der Steuersoftware und errechnet nach einer Identifizierung den offenen Betrag.
«Der Nutzer muss die Zuständigkeiten innerhalb der Behörde nicht kennen.»
Der Abraxas-Chatbot ist für die öffentliche Hand konzipiert, aber wird auf die Bedürfnisse jeder Verwaltung und Amtes angepasst.
Genau. Er verfügt über ein Kern Portfolio von rund 40 Services. Zu Beginn ist er schon auf viele Standardanfragen der Verwaltung trainiert worden, dann erweitert jede neue Anfrage sein Know how und er lernt die spezifischen Anforderungen jeder Gemeinde, jedes Amtes, jeder Organisation immer besser kennen. Je nach Anforderungen reichen die Fertigkeiten des Chatbots von der Verlinkung bestimmter Informationen bis hin zur durchgängigen Abwicklung von Verwaltungsdiensten inklusive deren Verrechnung.
Chatbots machen es möglich, dass Nutzer rund um die Uhr Zugang zu Diensten der öffentlichen Hand haben. Besteht überhaupt ein Bedürfnis nach einer 24/7-Dienstleistung?
Sieht man sich das Nutzungsverhalten von Chatbots an, die sich schon im Einsatz befinden, dann merkt man zwar, dass Anfragen am Wochenende und an Abenden geringer sind – aber dennoch vorhanden sind und konstant wachsen. Das Bedürfnis ist also vorhanden, genauso wie längere Ladenöffnungszeiten. Und ebenso wie sich Online-Shopping verbreitet, so gibt es auch für Behörden-Chatbots eine immer stärkere Nachfrage. Natürlich auch dadurch, dass sie erst laufend eingeführt, etablierter und leistungsfähiger werden.
«Für Behörden-Chatbots gibt es eine immer stärkere Nachfrage.»
Sie bieten auch Lösungen für Unternehmen. Kommen Sie da als Unternehmen, das im Besitz der öffentlichen Hand ist, nicht vermehrt privaten Anbietern in die Quere?
Die Abraxas Informatik befindet sich zwar im Besitz der öffentlichen Hand (sieben Kantone, 132 Gemeinden), ist aber dennoch ein Unternehmen, das sich als AG privatrechtlich auf dem freien Markt bewegt und im Wettbewerb mit anderen Anbietern steht. Natürlich zählen zu unserem Kundenkreis hauptsächlich Gemeinden, Städte, Kantone und der Bund. Aber wir sind in jeder Ausschreibung und für jeden Auftrag im Wettbewerb. Und wir digitalisieren auch KMU, beispielsweise Treuhand-Firmen.
Interview: Patrick Stämpfli