HSG entwickelt KI-Methode für präzisere Konjunkturprognosen

Wirtschaftskrisen, Inflationsschübe oder Konjunkturabschwünge treffen Politik und Wirtschaft oft überraschend. Entsprechend hoch ist der Bedarf an präzisen und möglichst früh verfügbaren Prognosen. Eine neue KI-Methode, an deren Entwicklung auch Forscher der Universität St.Gallen beteiligt waren, verspricht hier Fortschritte – bei gleichzeitig deutlich geringerem Rechenaufwand.
Ein zentrales Problem klassischer Konjunkturmodelle liegt in der Ungleichzeitigkeit wirtschaftlicher Daten. Produktionszahlen oder Verkaufsstatistiken werden meist monatlich oder quartalsweise veröffentlicht, während Finanzmarktdaten täglich oder sogar in Echtzeit vorliegen. Herkömmliche Modelle haben Mühe, diese unterschiedlichen Datenfrequenzen sinnvoll zu kombinieren. Zudem geraten sie bei grossen Datenmengen schnell an rechnerische Grenzen.
Effizientere KI dank Reservoir Computing
In einer aktuellen Studie nutzten Forscher deshalb einen Ansatz aus dem Bereich des maschinellen Lernens namens Reservoir Computing. Dabei handelt es sich um eine spezielle Form neuronaler Netze, bei der nicht das gesamte Netzwerk trainiert wird. Stattdessen bleiben die meisten internen Strukturen fix, während nur die Ausgabeschicht angepasst wird.
Das reduziert den Rechenaufwand erheblich. Gleichzeitig bleiben die Modelle stabil, selbst wenn viele unterschiedliche Eingabedaten verarbeitet werden. Für makroökonomische Anwendungen ist das besonders relevant, da hier oft nur begrenzte Datenhistorien verfügbar sind.
Bessere Prognosen mit weniger Rechenleistung
Getestet wurde die Methode anhand der Prognose des Bruttoinlandsprodukts der USA. In mehreren Zeiträumen konnte das Reservoir-Computing-Modell mit etablierten makroökonomischen Verfahren mindestens mithalten, diese in vielen Fällen sogar übertreffen. Auffällig war vor allem die Effizienz: Während klassische KI-Modelle hohe Rechenkapazitäten benötigen, lieferte der neue Ansatz vergleichbare oder bessere Ergebnisse mit einem Bruchteil der benötigten Rechenleistung.
Auch bei der Verarbeitung grosser Datenmengen blieb die Prognosegenauigkeit stabil. Damit adressiert die Methode gleich zwei aktuelle Herausforderungen der Digitalisierung: die steigende Komplexität von Daten und den wachsenden Druck, KI ressourcenschonender einzusetzen.
Einsatz in der Praxis
Die Forschung hat bereits den Sprung in die Anwendung geschafft. Die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich setzt Reservoir Computing im Nowcasting Lab experimentell ein. Dort werden in Echtzeit Wirtschaftsprognosen für 17 europäische Länder erstellt, darunter auch für die Schweiz.
Für die wirtschaftliche Analyse bedeutet das einen Schritt hin zu schnelleren, stabileren und energieeffizienteren Prognosemodellen. Gleichzeitig zeigt die Studie, dass nicht jede leistungsfähige KI zwingend auf maximalen Rechenaufwand angewiesen ist. Ein Aspekt, der in der digitalen Ökonomie zunehmend an Bedeutung gewinnt.
Text: pd/red