«Quantum is now!»

Albert Einstein mochte die seltsame Welt der Quanten nicht, in der es Katzen gibt, die gleichzeitig tot und lebendig sind. Für Quantenphysiker Markus Pflitsch und seine Terra Quantum AG hingegen ist diese Welt «The Next Big Thing», mit der ein massiver Mehrwert für viele unterschiedliche Branchen generiert werden kann.

Markus Pflitsch, vor zwei Jahren haben Sie Quantum Tech in einem east#digital-Interview als «The Next Big Thing» bezeichnet. Ist dem noch so?
Ja, selbstverständlich!

Was hat sich getan in dieser Zeit in der Quantencomputer-Forschung?
Seit unserem Interview vor zwei Jahren, haben wir zahlreiche, vielversprechende technologische Weiterentwicklungen beobachten können. Sowohl auf der Hardware- als auch auf der Softwareseite.

Die da wären?
Insbesondere auf der Hardwareseite machen die verschiedenen Player Fortschritte in ihrer Roadmap - im Sinne der Anzahl adressierbarer Qubits und Performance. Wir wissen noch nicht, welche Technologie sich durchsetzen wird, aber die Richtung steht fest. Aus diesem Grund sagen wir bei Terra Quantum auch ganz klar: Quantum is now! Denn es ist keine Frage des ob, sondern nur noch, wie schnell wir die Exponentialkurve reiten. Auf der Softwareseite haben wir bereits für über 150 konkrete Anwendungsfälle in der Wirtschaft und Industrie Algorithmen entwickelt, die im Bereich komplexer Big Data Applikationen eingesetzt werden können.

Welchen Anteil hat Terra Quantum an dieser Entwicklung?
Wir haben mit unserem hybriden Ansatz, Quanten-Software auch auf virtualisierten, simulierten Qubits laufen zu lassen, einen Weg gefunden, der die Brücke bildet, bis die Quantenhardware reif genug ist. Mit unserem Security-Solutions-Angebot können wir heute schon über bestehende Glasfaserverbindungen quantensichere Kommunikation gewährleisten. So können wir wesentliche Kundenpotenziale heben und substanzielle Mehrwerte generieren, die sich bereits heute je nach Kunden Use Cases auf einen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag belaufen. Quantencomputer rechnen bekanntlich mit Zuständen, für die es kein klassisches Analogon gibt. Folglich muss man sie ganz anders programmieren als die heutigen Computer.

Wo liegen hier die grössten Herausforderungen?
Die Programmierung von (hybriden) Quantencomputern bringt einige einzigartige Herausforderungen mit sich im Vergleich zur Programmierung rein klassischer Computer. Quantencomputer verwenden Quantenbits (Qubits) zur Berechnung, die im Gegensatz zu klassischen Bits superpositioniert und verschränkt sein können.

Und das bedeutet?
Dass die Programmierung von Quantencomputern auf Quantenalgorithmen und -protokollen basiert, die für klassische Computer nicht unbedingt intuitiv sind. Eine weitere Herausforderung ist die Konstruktion von fehlertoleranten Quantencomputern, da Qubits sehr empfindlich gegenüber Störungen sind, etwa irrelevanten physikalischen Prozessen des den Chip haltenden Systems selbst oder Einflüssen aus der Umgebung. Deshalb müssen Quantencomputer in einer kontrollierten Umgebung betrieben werden, um Fehler zu minimieren – bei Supraleitern etwa ist das ein Kühlschrank, der das System auf 15 – 20 mK kühlt, im Vakuum hält, und vom Erdmagnetfeld isoliert. Des Weiteren ist die Grösse von Quantencomputern derzeit begrenzt, und die verfügbaren Ressourcen für Quantenprogrammierung sind beschränkt.

Welche Auswirkungen haben die beschränkten Ressourcen?
Programmierer ihre Algorithmen und Anwendungen für die vorhandenen Quantencomputer optimieren. Und das nur durch effiziente Hybridisierung, also durch die Kombination von Quantencomputern und klassischen Computern, wie Terra Quantum das macht. So können zahlreiche Probleme mit hoher Komplexität heute schon gelöst werden. Hybridisierung ist auch nicht nur ein Zwischenschritt, sondern generell der Weg nach vorne, um Quantencomputer zu nutzen. Entwickler müssen Fähigkeiten in sowohl klassischer Entwicklung als auch Quantenalgorithmen Knowhow mitbringen.

Auch wenn die heutigen Quantencomputer noch Schwächen haben, gibt es bereits erste Anwendungen. Zum Beispiel im Projekt von Volkswagen und Terra Quantum. Gibt es aktuell noch weitere Einsatzgebiete?
Ja, generell sind die drei Haupteinsatzgebiete die Optimierung, die Simulation und Machine Learning. Quantencomputer können verwendet werden, um komplexe Optimierungsprobleme zu lösen, die in der Wirtschaft, im Finanzwesen, in der Logistik und anderen Bereichen auftreten. Solche Probleme können beispielsweise die Optimierung von Logistikrouten, Portfolio-Optimierung oder die Optimierung von Lieferketten umfassen.

Kommen wir zur Simulation, eine der grossen Stärken von Quantencomputern …
Richtig. Schon der bekannte US-Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman sagte, dass eine Simulation der Natur quantenmechanisch sein muss. Es hat sich herausgestellt, dass genau diese Art von Problemen für klassische Computer zu zeitaufwendig oder zu rechenintensiv sind, um gelöst zu werden – nicht nur heute, sondern auch in der Zukunft. Die quantenmechanische Simulation findet Anwendungen in der Chemie, der Materialwissenschaft, der Biologie und anderen wissenschaftlichen Disziplinen. Generell sind wir nicht limitiert auf die Simulation von Quanteneffekten, sondern können alle dynamischen Probleme effizient durch hybride Algorithmen adressieren.

Quantencomputer können auch verwendet werden, um bestimmte Aufgaben im maschinellen Lernen, wie beispielsweise die Optimierung von neuronalen Netzen, schneller durchzuführen. Ein beispielhafter Bereich, in welchem alle genannten Bereiche zusammenkommen, ist das Finanzwesen. Hier werden hybride Quantenalgorithmen genutzt, um Probleme wie beispielsweise die Vorhersage von Finanzmärkten, die Risikobewertung oder die Portfoliooptimierung zu bearbeiten.

Wie lange dauert es noch, bis die Schwächen bei Quantencomputern ausgemerzt sind und sie grossflächig zum Einsatz kommen können?
Ein paar Jahre werden wir hier noch brauchen, in fünf Jahren wird es wahrscheinlich Quantenhardware geben, die sehr relevante Aufgaben erfolgreich lösen kann. Aber wir müssen nicht warten, bis es so weit ist. Es gibt, wie oben erläutert, bereits heute zahlreiche Einsatzgebiete über den hybriden Quanten-Ansatz, der auch langfristig trägt. Wir bauen die Software für morgen, die schon heute zum Einsatz kommt. Des Weiteren ist das Thema Quanten-Sicherheit von immenser Bedeutung. Insbesondere hier müssen wir die verbleibende Zeit, bis die Hardware da ist, nutzen, um unsere Sicherheitsprotokolle aufzurüsten und implementieren zu können. Sonst laufen Unternehmen, die nur auf klassische Verschlüsselung zugreifen, Gefahr, dass sie gehackt werden können. Es bleibt also genug zu tun für die nächsten fünf Jahre.

Interview: Patrick Stämpfli
Bild: Marlies Thurnheer