Gesundheitsdaten: Bevölkerung will Leitplanken und Allgemeinnutzen
Seit 2018 erfasst der Monitor «Datengesellschaft und Solidarität» jährlich, welche Erwartungen und Befürchtungen die Bevölkerung der Schweiz mit dem digitalen Wandel verbindet. Die Ausgabe 2023 legt ein spezielles Augenmerk auf die Digitalisierung im Gesundheitsbereich und das Teilen von Gesundheitsdaten für die Forschung.
Die Umfrage zeigt: Man erwartet klare Leitplanken und einen Nutzen für die Allgemeinheit. Erst dann ist man zum Datenteilen bereit. Die Befragten sehen gemäss Studie zudem das Potential von Gesundheits-Apps. Ein solidarisches Gesundheitssystem mit Zugang für alle ist wichtig – weitere Prämienerhöhungen werden aber klar abgelehnt. Dennoch sieht man sich bezüglich der Gesundheitskosten auch selber in der Pflicht.
Klare Leitplanken im Gesundheitsbereich
In einem digitalisierten Gesundheitssystem sind die eigenen Gesundheitsdaten jederzeit für sich selbst abrufbar und können bei Bedarf mit Fachpersonen geteilt werden. Drei von vier Befragten möchten, dass Gesundheitsdaten vermehrt digital gespeichert und verwaltet werden. Die Befragten wünschen sich jedoch klare Regeln für ein digitalisiertes Gesundheitssystem. Die Infrastruktur soll durch den Staat oder medizinische Leistungserbringer betrieben und verwaltet werden. Krankenversicherungen und Unternehmen der Privatwirtschaft, welche nicht als Leistungserbringer tätig sind, werden hingegen kaum in dieser Rolle gesehen. Die Bürgerinnen und Bürger wollen jederzeit selbst über die Weitergabe ihrer Gesundheitsdaten entscheiden. Diese sollen durch Akteure des Gesundheitssystems nicht frei erhoben und gekauft werden können.
Forschung: Grundsätzliche Bereitschaft zum Datenteilen
Eine Mehrheit der Befragten ist dafür, dass Firmen der medizinischen Industrie Gesundheitsdaten für die Entwicklung von besseren Produkten und Leistungen nutzen. Dass sie solche Daten frei kaufen können, will jedoch nur eine Minderheit. Dies bedeutet nicht, dass die medizinische Industrie keinen Zugang zu Daten erhält. Die Studienreihe zeigt nämlich, dass immer mehr Befragte ihre digital aufgezeichneten Gesundheitsdaten für die Forschung zur Verfügung stellen würden (2018: 42%, 2023: 60%).
Der Nutzen für die Allgemeinheit wird als Faktor, der zum Datenteilen motiviert, immer wichtiger (2019: 44%, 2023: 59%). Zwei Drittel der Befragten geben an, dass die Entwicklung von neuen Behandlungsmethoden sie zum Teilen ihrer Daten für die Forschung motivieren würde. Für ebenso viele wäre eine mögliche Früherkennung zum eigenen Gesundheitszustand eine Motivation. Nur für eine Minderheit wäre eine finanzielle Entschädigung entscheidend dafür, die eigenen Gesundheitsdaten für die medizinische Forschung zu teilen. Eine finanzielle Entschädigung kann sogar kontraproduktiv sein, wie ein Experiment in der Umfrage gezeigt hat.
Wenn für das Teilen der eigenen Gesundheitsdaten ein kleiner Geldbetrag in Aussicht gestellt wird, sind die Befragten weniger zum Teilen der eigenen Daten bereit, als wenn gar kein finanzieller Anreiz gegeben wird.
Offen für Gesundheits-Apps
Gesundheits-Apps, die von einer medizinischen Institution geprüft sind, könnten eine Möglichkeit sein, das Gesundheitssystem zu entlasten, den Fachkräftemangel zu entschärfen und die Kosten zu senken. Patientinnen und Patienten könnten solche Apps eigenständig oder begleitend zu einer ärztlichen Behandlung nutzen. Knapp sechs von zehn Befragten können sich vorstellen, eine solche App bei einem medizinischen Problem zu nutzen. Bei Apps für die psychische Gesundheit ist die Nutzungsbereitschaft in der Gesamtbevölkerung deutlich tiefer (43%).
Bei den jüngeren Befragten wären jedoch mehr als die Häflte (54%) bereit, bei einem psychischen Problem eine solche App auszuprobieren. Da besonders bei jungen Patientinnen und Patienten Behandlungsangebote im Bereich der psychischen Gesundheit derzeit sehr knapp sind, könnten Apps für die psychische Gesundheit helfen, diesen Versorgungsengpass zu mildern und Hilfe zu leisten, während Betroffene auf eine Behandlung warten.
Bevölkerung will keine höheren Prämien
Der Begriff «Solidarität» wird in Zusammenhang mit dem Gesundheitssystem vor allem damit verbunden, allen Menschen eine gute medizinische Versorgung zu bezahlen. Nur eine Minderheit verbindet mit dem Begriff aber auch das regelmässige Bezahlen von Krankenkassenprämien. Die steigenden Kosten im Gesundheitssystem machen den Befragten Sorge. Nur die wenigsten sind bereit, in Zukunft noch höhere Krankenkassenprämien zu bezahlen (5%). Wenn die Kosten nicht steigen dürfen, sind Einsparungen nötig. Hierfür müssen jedoch zunächst die Kostentreiber identifiziert werden. Am meisten Befragte sagen, dass dafür jeder und jede Einzelne verantwortlich ist (62%).
Für sechs von zehn Befragten ist auch die Pharmaindustrie einer der Hauptverantwortlichen für das Kostenwachstum. Der Nutzen, den diese Industrie über ihre Forschung für die Gesellschaft bringt, wird zwar erkannt – gleichzeitig besteht bezüglich der Kommerzialisierung von Gesundheit eine verbreitete Skepsis.
Zur Studie
Sotomo führte die Befragung im Januar 2023 online durch. 2050 Personen gaben Auskunft über ihr Verhalten und ihre Einstellungen zur Gesellschaft im digitalen Kontext. Die Resultate sind repräsentativ für die sprachintegrierte Schweizer Bevölkerung ab 18 Jahren (Stichprobenfehler: +/- 2.2%). Die Befragung erfolgt 2023 zum sechsten Mal in Folge im Auftrag der Stiftung Sanitas Krankenversicherung.
Der vollständige Bericht zum Monitor «Datengesellschaft und Solidarität» 2023 steht hier zur Verfügung: www.sanitas.com/stiftung-umfrage