Digitale Demokratie: Mit Technologie gegen politische Apathie
Die politische Beteiligung nimmt in vielen Demokratien ab. Gerade junge Menschen und bildungsferne Gruppen fühlen sich von der Politik nicht ernst genommen. Politikwissenschaftlerin Roberta Fischli von der Universität St.Gallen sieht in digitalen Beteiligungsplattformen einen möglichen Ausweg aus dieser Vertrauenskrise.
Digitale Tools könnten helfen, politische Prozesse transparenter zu machen und neue, niederschwellige Formen der Mitwirkung zu schaffen – zum Beispiel durch Online-Abstimmungen, Ideenplattformen oder partizipative Haushaltsplanungen. Solche Projekte existieren bereits, etwa in Madrid oder Barcelona, wo über die Plattform «Decide Madrid» Bürger Vorschläge einreichen, diskutieren und zur Abstimmung bringen konnten. Die zugrundeliegende Open-Source-Software «Consul» fand international Verbreitung.
Laut Fischli liegt der entscheidende Unterschied zu sozialen Netzwerken im Design: Es geht nicht um Likes oder Reichweite, sondern um sachliche Diskussion und Deliberation. Dennoch zeigen Erfahrungen aus Spanien: Die Nutzung bleibt oft auf gut ausgebildete und politisch interessierte Personen beschränkt.
Damit digitale Demokratie funktioniert, braucht es mehr als nur Technik. Begleitende Bildungsarbeit, gezielte Ansprache marginalisierter Gruppen und echte Einflussmöglichkeiten sind zentrale Erfolgsfaktoren. Erst wenn Menschen merken, dass ihre Beteiligung tatsächlich etwas bewirkt, wächst auch das Vertrauen in demokratische Prozesse.
Fischli betont, dass digitale Tools Parlamente und Politiker nicht ersetzen können. Demokratie lebe vom Dialog, vom Aushandeln und der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Digitale Beteiligung kann diesen Prozess ergänzen – nicht aber vollständig automatisieren.
Roberta Fischli, PhD, ist externe wissenschaftliche Mitarbeiterin an der School of Economics and Social Sciences der Universität St.Gallen. Ab August forscht sie an der Stanford Universität zum Thema Künstliche Intelligenz und Freiheit.
Zum vollständigen Interview mit Roberta Fischli: www.unisg.ch/news/digitale-demokratie-mit-technologie-gegen-die-politische-apathie
Text: pd/red
Bild: zVg